Recycling

Innovationen sind gefragt

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2019

Das neue Verpackungsgesetz steigert die Quoten für Recycling und Mehrweg-Behälter. Industrie und Handel müssen nach intelligenten Lösungen suchen, um die Abfallberge zu reduzieren. Eine Reihe von interessanten Ansätzen gibt es.

Recycling-Symbol auf Pappe.
Mehr recyceln statt verbrennen. Foto: iStock/Kwangmoozaa

Die Deutschen sind in einigen Disziplinen EU-Spitzenreiter – leider auch, wenn es um das Aufkommen von Verpackungen geht. 18,16 Millionen Tonnen haben wir im Jahr 2016 produziert. Das sind 0,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor und ein neuer Höchstwert. Neuere Zahlen liegen laut Umweltbundesamt noch nicht vor. Pro Einwohner werden damit 220,5 Kilogramm an Pappkartons, Plastikhüllen oder Pet-Flaschen pro Jahr in Müll- oder Recyclingbehälter geschmissen. Zum Vergleich: In der gesamten EU lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2015 bei 167,3 Kilogramm. 

„Wir produzieren viel zu viel Verpackungsmüll – ein trauriger Spitzenplatz in Europa. Das ist schlecht für die Umwelt und für den Rohstoffverbrauch“, sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes. Doch zunächst empfiehlt sie, das Recycling zu stärken, denn die Rohstoffrückgewinnung ist immer noch besser als die Entsorgung über die Müllhalde. Die aktuelle Recyclingquote ist nach Ansicht des Amtes noch zu gering. Heute werden 70 Prozent des Verpackungsabfalls der Rohstoffrückgewinnung zugeführt. Der Rest wird größtenteils energetisch verwertet, also verbrannt. „Außerdem sollten Mehrwegsysteme gestärkt werden, die klare ökologische Vorteile gegenüber Einwegverpackungen haben“, ergänzt Maria Krautzberger. 

Reform stärkt das Recycling

Vom neuen Verpackungsgesetz verspricht sich Umweltbundesamt-Präsidentin Krautzberger wichtige Impulse. Die zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Reform will die Rohstoffrückgewinnung stärken. „Das Gesetz wird helfen, mehr wertvolle Ressourcen im Kreislauf zu führen“, erklärt Krautzberger weiter. Das Gesetz gibt Herstellern finanzielle Anreize, die Verpackungen recyclingfähiger und ressourcenschonender zu gestalten und bei der Produktion verstärkt Recyclate einzusetzen.

Für einzelne Rohstoffe gelten seit dem 1. Januar höhere Recyclingquoten. So klettert die Rückführung ins System bei Kunststoffen von 36 auf 58,5 Prozent. Ab dem Jahr 2022 soll sie sogar auf 63 Prozent steigen. Glas, Eisen, Aluminium und Papier müssen nun zu 80 Prozent und ab 2022 zu 90 Prozent recycelt werden. Im kommenden Jahr sollen zudem 75 Prozent statt bisher 60 Prozent der Getränkekartonverpackungen recycelt werden. 2022 sollen es 80 Prozent sein. Darüber hinaus sind die Betreiber der dualen Systeme künftig verpflichtet, die Hälfte des Inhalts der von ihnen eingesammelten gelben Säcke oder Tonnen zu recyceln.

Hersteller müssen zahlen

Neu ist aber auch, dass sich jeder, der Verpackungen und verpackte Waren für Endverbraucher in Umlauf bringt, in einem öffentlich einsehbaren Register namens Lucid anmelden muss. Wer dem nicht nachkommt, darf seine Waren nicht mehr verkaufen. Hintergrund: In der Vergangenheit haben sich zahlreiche Unternehmen vor ihrer Pflicht, das duale System mitzufinanzieren, gedrückt. „Das Unterbeteiligungsphänomen ist aktuell leider sehr hoch“, hat Bettina Sunderdiek, Sprecherin der neugeschaffenen Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), die das Register kontrollieren soll, gegenüber dem Handelsblatt erklärt. 

Quelle: PricewaterhouseCoopers GmbH, 2019

So seien allein 2015 etwa 34 Prozent der Leichtverpackungen aus Kunststoff und 40 Prozent der Papier-, Pappe- und Kartonverpackungen an den dualen Systemen vorbeigemogelt worden. „In Summe sind es mindestens 200 Millionen Euro, die von rechtskonform arbeitenden Unternehmen für diese ‚Trittbrettfahrer’ mitgezahlt werden mussten“, konstatiert Sunderdiek. Damit soll jetzt Schluss sein. Dass das klappen könnte, zeigt ein Zahlenvergleich: Haben bislang nur etwa 60.000 Unternehmen das duale System finanziert, waren bereits im Januar 80.000 Unternehmen bei Lucid registriert.

Mehrweg statt Verpackungsmüll

Aber das Umweltbundesamt sieht noch eine andere Möglichkeit, Verpackungsmüll zu reduzieren: nämlich die Mehrwegverpackung. Noch in diesem Jahr sollen 70 Prozent aller Getränke in Mehrwegverpackungen verkauft werden. Supermärkte müssen künftig am Regal angeben, ob Flaschen oder Dosen einweg- oder mehrwegfähig sind, damit Verbraucher das leichter erkennen können. Zudem gilt die Pfandpflicht seit Anfang Januar auch für Frucht- und Gemüsenektare mit Kohlensäure sowie für Getränke mit einem Anteil an Milcherzeugnissen von über 50 Prozent.

Mehrweg hilft aber nicht nur bei Getränken, Verpackungsmüll zu vermeiden. In Büsum testet die Supermarktkette Edeka seit Mitte vergangenen Jahres, ob sich Mehrweg-Pfanddosen für den Wurst- und Käsestand in Breite einführen lassen. Kunden müssen dabei zunächst vier bis fünf Euro für eine Dose zahlen. Beim nächsten Einkauf werfen sie die Dose in eine Sammelbox und bekommen kostenlos eine frische Dose mit. Die gebrauchten Dosen werden in einer Spülmaschine vor Ort gereinigt. Herkömmliche Einwegverpackungen gibt es daneben weiterhin.

Doch nicht nur an der Käse-, auch an der Kaffeetheke soll Mehrweg Einzug halten: 7,6 Millionen Coffee-to-go-Becher landen derzeit nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe allein in Deutschland jeden Tag auf dem Müll. Unternehmen wie Recup wollen den Kaffeebecher jetzt mehrwegfähig machen und so dem überbordenden Verpackungsmüllproblem Herr werden. Immerhin 2.000 Kaffeebrüher in ganz Deutschland machen schon mit.

Lösung für den Onlinehandel

Ein Mehrweg-Umlaufsystem für Versandtaschen testet das finnische Start-up RePack. Onlineshops können ihre Ware statt in Einwegkartons in Mehrweg-RePacks an ihre Kunden versenden. Die falten die leere RePack-Verpackung nach Erhalt der Ware auf Briefformat zusammen und stecken sie in den Briefkasten. Die aus recyceltem Polypropylen bestehende Mehrwegverpackung wird aufbereitet und gereinigt und ist dann für die nächste Bestellung bereit. Bis zu zwanzigmal kann sie wiederverwendet werden und spart damit gegenüber herkömmlichen Versandverpackungen bis zu 80 Prozent Kohlendioxid und 96 Prozent Müllvolumen ein.

Quelle: PricewaterhouseCoopers GmbH, 2019
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